Kalenderblatt Juni 2021

Juni 2021

Die Salbücher des Amts Homberg

Auch in früheren Zeiten waren die Menschen genötigt, Steuern an die Obrigkeit zu zahlen. Basierten die Zahlungen wohl anfangs nur auf mündlicher Überlieferung und tradierten Verfahren, so begann man im Laufe des späten Mittelalters mit der Aufzeichnung der Steuerlasten. Dies geschah wohl um zum einen einen Überblick der zu erwartenden Zahlungen zu gewinnen, zum anderen auch um Streitfällen aus dem Weg zu gehen. Eine erste Steuerliste aus der Zeit um 1490 ist für das Amt Homberg, dem Wabern bis zum neunzehnten Jahrhundert angehörte, erhalten. Diese Liste, das ‚Verzeichnis der wehrhaften Mannschaften und Pflüge und der landgräflichen Gefälle in Stadt und Amt Homberg a. d. Efze“, enthält für jeden Ort des Amts eine kurze Auflistung aller Abgaben, ohne genauer auf die einzelnen Grundeigentümer einzugehen. Im ersten „Salbuch von Stadt und Amt Homberg“ aus dem Jahr 1537 und den Nachfolgern aus den Jahren 1574 und 1587 ändert sich das grundlegend. Der Begriff Salbuch hat wohl eine Begriffsverwandtschaft mit dem englischen „sale“ oder „sell“ (Verkauf, verkaufen) und wird auch als Heberegister oder Urbar bezeichnet. Der Grundherr verkaufte das Nutzungsrecht an Grund und Boden sozusagen an die Bauern.

Im Salbuch sind nun neben den allgemeinen Abgaben der Gemeinde wie Geschoss-, Kur-, Tor- und Dreschgeld namentlich alle Hausvorstände bzw. Grundbesitzer erfasst. Da die Grundabgaben sehr detailliert registriert sind, werden alle abgabenpflichtigen Felder mit ihrer Lage, Besitzer und oftmals auch den Feldnachbarn (Anewender, Anwander) beschrieben.

Daraus ergeben sich nun interessante Erkenntnisse zum alten Wabern und seinen Bewohnern. Zum ersten sind da die Familiennamen der Grundbesitzer, die zum Teil noch heute in Wabern ansässig sind. Neben Namen wie Hansmann, Fennel, Döring, Vaupel und Bott, die noch heute geläufig sind, tauchen z.B. die Namen Francke, Naumeister, Bubenhain, Eberwein, Ermig, Speck, Stubenrauch, Braun, Harst, Hain, Petter auf, die vermutlich mit dem dreißigjährigen Krieg verschwunden sind. Andere, wie Ebert, Orth, Helwig und Reitz verschwinden z.T. erst im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert aus Wabern. Für ihre Anwesen im Ort (Haus- und Hofreite) mussten sie jährlich mindestens ein Rauchhuhn abgeben. Der Begriff Rauchhuhn bezog sich auf die Feuerstelle im Wohnhaus.

Daneben ist die Nennung der Flurnamen sehr interessant: Einige Flurbezeichnungen, wie das Eder- und das Niederfeld, der Opferhof, der Hungerberg oder die Spitze sind noch heutzutage geläufig oder in Verwendung. Andere, wie die Obersten Erlen, der Wolfesdarm, das Heilige Feld, der Holunderborn, der Entenpfuhl oder die Pfingstweide sind aus dem Gebrauch verschwunden. Einige Felder stoßen bei ihrer Nennung an den „Dorfzaun“, was vermuten lässt, dass der alte Ort einstmals eingefriedet war. Die verwendeten Sammelbegriffe „Lentzfelt“, „Kornnfeldt“ und „Broichfelt“ (Frühlings-, Korn- und Brachfeld) weisen auf die zu der damaligen Zeit gebräuchliche Dreifelderwirtschaft hin. Im Jahreswechsel wurde auf einem Stück Land Wintergetreide, dann Sommergetreide gesät und im dritten Jahr lag das Land brach, damit es sich erholen konnte. Daneben gab es noch Wiesen, die wohl als Allmende (gemeinschaftliches Eigentum) genutzt wurden.

Bereits im Salbuch von 1537 nimmt das herrschaftliche Vorwerk in Wabern („Meines gütigen Fürsten und Herrn Hof”), später als die Domäne bezeichnet, einen breiten Raum ein. Zum Teil waren die zugehörigen Ländereien in abgabenpflichtiger Benutzung der Wabern Bauern, zum anderen Teil an einen Pächter, als „Hofmann“ bezeichnet, vergeben. Im Jahr 1537 ist der Pächter Heintz Mansheipt, 1574 scheint es keinen Pächter gegeben zu haben, denn die entsprechende Stelle im Text weist eine Lücke auf und 1587 ist der Pächter nicht namentlich genannt. Als Pächter war er von den „Dienst- und Dorfbeschwerungen“ (Hand-, Spann- und Fuhrdienste) befreit, musste aber neben den Grundabgaben für den Landgrafen auf seine Kosten einhundert Schafe halten (1574).

Im Jahr 1587 sind im Salbuch in einem ersten Abschnitt im Gegensatz zu den beiden Vorgängern neben dem Landgrafen als Abgabenempfänger weitere Nutznießer genannt: Die Universität Marburg, das Deutsche Haus zu Marburg, das Stift Fritzlar, die adligen Familien Löwenstein, Falkenberg, Hesberg, Baumbach und Dalwig und verschiedene weitere bürgerliche Familien, darunter die Catzmann aus Fritzlar. Ob es erst in den Jahren davor zu Belehnungen dieses Personenkreises gekommen ist, oder diese Empfänger in den Vorgänger-Salbüchern einfach nicht erfasst wurden, lässt sich aus den Salbüchern nicht erkennen.

Die transkribierten Salbücher können hier auf der Webseite des Geschichts- und Kulturvereins eingesehen werden. (RV)

Foto: Zennerfeld 1936, Familie Fennel bei der Roggenernte

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