Kalenderblatt April 2021

April 2021

Wabern Anno 1655 - War Gretha Vennel eine Hexe?

„Wohlgeborner Hochedl Gestreng= und Veste, Edl., Ehrenveste und hochgelehrte Furstliche hessische wohlverordnete herren Cantzler, Vice Cantztler und Räthe, insonders großgünstige gepitende Herren, ...“ So lautet die Anrede in einem Brief an die landgräflichen Beamten in Kassel vom Oktober 1655, in dem über den Verdacht einer Zauberei in Wabern berichtet wird.

„Denselben pleibt hermidt underthanig zu melden, welcher gestalt Johannes Mardorfen fraue zue Wabern im Kintbedt großen Schmertzen an ihrem arm empfunden, gestalt derselbe uf einmahl sich entzündet, und solch Zittern, wehethath und toben darin sich ereugnet, daß sie sich des lebens ergeben, und ist über etzliche Wochen hernach ufgebrochen, und neben vieler Materie (Eiter) ein Stückh in gestalt eines Lappentuchs, mit solchem übeln geruch, darauß gegangen, daß niemand davur pleiben können, wie sie dann biß noch an solchem ihrem arm darnieder lieget, und denselben nicht geprauchen kann.“

Offensichtlich litt Johannes Mardorfs Frau im Kindbett an einen entzündeten Arm, der unter Schmerzen nach Wochen aufbrach und aus dem ein Lappentuch herauseiterte. Über dieses Geschehen wurde nun im Dorf viel geredet und es kam das Gerücht auf, dass ...

„dißes von bösen Leuthen herkäme. Curt Metzen haußfraue berichted, daß sie gesehen, wie daß Hannß Vennels witib (Witwe) Gretha in Johannes Mardorfen Hauß ein Lappentuch zusammengewickelt und deßelben Haußfrauen bei den Hauptpoel ins bette gestecket, daruf die nacht hernach dieselbe in ihrem gesunten armen, ein großes Reißen und Schmertzen empfunden.“

Gretha gerät damit nun in dem Verdacht Mardorfs Frau bezaubert zu haben. Sie wendet sich in ihrer Not an den Ortspfarrer Johannes Kuhn, der sie von der Zauberei freisprechen soll. Dieser sagt, er sei kein Hexenkundiger, und das Ganze ginge ihn nichts an, sie möge sich an die Obrigkeit wenden und berichtet weiter, dass sie aber seinem Rat zuwidergehandelt hätte. Sie sei „vor das Haus der kranken Frau gegangen und habe mit ihr und Gorge Reitzen Hausfrau gezankett und werdtlich mit Scheltwortten umb sich geworffen. Auch Hennig Spießen Hausfrau habe sie zweimal auff offendtlicher strassen mitt hartten undt ehrenruhrigen scheltwortenn ahngetaßtett.“ Als Pfarrer Kuhn nun für den 13. Sonntag nach Trinitatis das heilige Abendmahl ankündigt, verlangt die von Gretha der Verleumdung beschuldigte Partei, Pfarrer Kuhn möge sich Gretha nach „gehaltener vermahnung undt vorbereittungs predigt vornehmen.“

Sein erneuter Verweis an die Obrigkeit und die Ermahnung zu christlicher Einigkeit helfen wenig. Nach dem Gottesdienst geraten die Streithähne im Beisein der Kirchenältesten Henrich Hansman und Adam Pott aneinander. Letztendlich bietet Greta an, um sich des Zauberns zu purgieren (sich rein machen, säubern), sich baden zu lassen. Sie bittet zur Bezeugung ihrer Unschuld, zur Wasserprobe zugelassen zu werden. „Sie wüsste sich vor Gott und aller Welt unschuldig und wolle lieber tot sein, als mit dem Verdacht eine Hexe zu sein noch länger leben“.

Die Wasserprobe war eine von fünf Hexenproben, bei der die Frauen entkleidet, Hände und Füße aneinandergebunden, ins Wasser geworfen wurden. Schwamm die Betreffende oben, so war sie der Hexerei überführt und endete auf dem Scheiterhaufen. Im anderen Fall ertrank die Frau, kam dann aber in den Vorzug eines christlichen Begräbnisses. Bisweilen wurden die Frauen auch mit einem Strick ins Wasser gelassen, sodass eine Rettung möglich war, wobei aber auch unterstellt werden konnte, der Teufel habe seine Hand im Spiel gehabt und habe seine Hexe, um sie zu retten, unter Wasser gezogen.

In Grethas Fall kommen die Beamten in Kassel zu dem Schluss, dass man sie gegen Kaution freilassen möge, aber weiter observieren solle. Ein Grund zu einer peinlichen Befragung (Folter) bestünde zunächst nicht. Laut einem Eintrag im Kirchenbuch Wabern erhält Gritta, Alte Hans Vennels Witwe, eine 69 jährige Frau am 5. Oktober 1669 beerdigt, ein christliches Begräbnis. Offen bleibt, ob Gritta eines natürlichen Todes starb oder infolge der gewünschten Wasserprobe. (HH)

Quelle: Hess. Staatsarchiv Marburg, Bestand 260, Nr. 408

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