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Frau in Spitzbetzeltracht
Skulptur von Ignaz Huber

Die Figur erinnert an die Tracht, die im 19. Jahrhundert in Wabern und Umgebung getragen wurde. Die Tracht war nicht nur eine traditionelle Bekleidung, sie diente auch der Kommunikation und lieferte viele Informationen über die Herkunft, die wirtschaftlichen Verhältnisse, den sozialen Status und den Familienstand.

Die Niederhessische Spitzbetzeltracht

Die Spitzbetzeltracht war eine regionale dörfliche Bekleidung, die in Niederhessen, südlich von Kassel im Altkreis Fritzlar-Homberg und seinen Randgebieten und somit auch in Wabern im 19. Jahrhundert getragen wurde. Die beiden Gemälde zeigen Frau Anna Martha Hose (* 13.07.1857) aus Wabern.

Da die junge Frau das Gesangbuch oder die Bibel in der Hand hält, kann davon ausgegangen werden, dass sie in die Kirche gehen will. Sie hat also die Kirchenkleidung angelegt. Diese besteht aus einem dunkelbraunen Rock und einer Jacke. Obwohl es Juli ist, trägt sie das langärmlige Leinenhemd und die langärmelige Jacke. Typisch für die Spitzbetzeltracht ist die Verzierung des Rockes mit zwei schwarzen Samtbändern oberhalb des Saumes und am Ärmel. Passend zum Braunton sind die Schürze und das Schulterbuch in braungrau gewählt. Die Schürze ist mit einer schwarzen Spitze verziert. Auf dem Kopf trug die junge Frau die sogenannte Spitzbetzel, die der Tracht den Namen gegeben hat, weil sie das einzige eindeutige Unterscheidungsmerkmal zu anderen Trachten war. Eine feste Unterhaube aus Leinenstoff, Schuh genannt, wurde mit schwarzem Seidentaft überspannt und ergab die spitze Form in der Mitte. Daran wurde hinten eine große Schleife, ebenfalls aus Seidentaft, angebracht. Mit Hilfe von zwei Kinnbändern wurde die Haube auf dem Kopf festgehalten. Die weißen Seidenbänder haben ein Webmuster mit roten Blumen und grünen Blättern. Die relativ langen Kinnbänder lassen auf eine wohlhabende Frau schließen. Der Betzelboden ist mit farbigem Seidengarn bestickt. Die Farbwahl ist vom Alter und vom Familienstand abhängig. Anna Martha Hose war noch unverheiratet, als das Bild entstand. Deshalb hätte sie eigentlich eine rot bestickte Betzel tragen müssen. Tatsächlich ist sie aber überwiegend in Grün mit etwas Violett gehalten.

Eine mögliche Erklärung wäre, dass Anna Martha bereits mit ihrem späteren Ehemann Konrad Weiler verlobt war.

Logo Wabern

Bei den Bildern handelt es sich um Fotos von Aquarellen des Marburger Sprachwissenschaftlers und Malers Ferdinand Justi (1837 - 1907), der auf 4 Bildern die Spitzbetzeltracht in der Zeit vom 16.07.1982 und 22.02.1883 gemalt hat. Sie zeigen Anna Martha Hose (* 1857) aus Wabern. Die Originalbilder befinden sich in den Graphischen Sammlungen der Staatlichen Museen im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel.

Text: Ingrid Rittger, Haldorf