Kalenderblatt März 2020

März 2020

Karl Emden (3)

Karl Emden beklagt in seinen Erinnerungen den Tod manches Kameraden. Als am 2. Mai 1945 die Front kapitulierte, geriet die Mehrzahl der Einheit bei Trient in Gefangenschaft. Karl Emden gelang es mit einigen Kameraden sich bis nach Südtirol, durch den Vinschgau, über den Hinteriss Ferner ins Venter Tal nach Österreich abzusetzen. In Sölden im Ötztal wurden sie an die Amerikaner verraten und kamen am 12. Mai nach Neu Ulm in ein Gefangenenlager mit 80.000 Soldaten. Nach einigen Wochen wurden Bergleute und Landwirte entlassen. Da Emden in seinem Wehrpass den Beruf des Landwirts angegeben hatte, war es ihm möglich, am 11. Juni das Gefangenlager zu verlassen. Nach einer abenteuerlichen Reise konnte er am 15. Juni 1945 seine Familie auf der Tannenhöhe in die Arme schließen.

Zurück auf der Tannenhöhe ging es zuerst nur darum, die Familie zu ernähren. Im Sommer und Herbst half Karl seinem Vater bei den anstehenden landwirtschaftlichen Arbeiten. Dann war es ihm gelungen, neben anderen ehemaligen Berufssoldaten während der dreimonatigen Kampagne in der Zuckerfabrik zu arbeiten. Viele Bewerbungen und persönliche Vorstellungen führten zu keinem Erfolg. Für ehemalige Soldaten gab es keine Verwendung. Keiner wollte akzeptieren, dass der ehemalige Polizist durch die Eingliederung seiner Polizeieinheit ins Heer zwangsweise Soldat geworden war.

Im Februar 1946 bekam Karl eine befristete Einstellung bei der amerikanischen Militärpolizei auf dem Flugplatz in Fritzlar.

Auf Empfehlung des damaligen ehrenamtlichen Bürgermeisters Heinrich Homburg, der von der amerikanischen Militärregierung nach dem Krieg als Bürgermeister eingesetzt worden war, stimmte die damalige Gemeindevertretung im Mai 1946 der Anstellung bei der Gemeindeverwaltung zu.

Die wichtigsten Aufgaben der Verwaltung bestanden in dieser Zeit in der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Kleidung und anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs. Schwer war auch die Unterbringung der Flüchtlinge und Vertriebenen, die mit Eisenbahntransporten aus dem Osten kamen. Viele einheimische Familien mussten sich einschränken und Wohnraum zur Verfügung stellen.

Auf Drängen seiner Mutter verließ Karl Emden mit seiner Frau Luise und den Kindern Ingrid (*1939 +2018), Heidi (*1941) und Hartmut (*1943) im Herbst 1945 die Tannenhöhe. Die Familie bezog eine Wohnung im Bürgermeisteramt in der Ziegenhainer Straße. Dort vergrößerte sich auch die Familie durch die Geburt von Henning (*1946)

In der Gemeindeverwaltung arbeitete Karl Emden als Verwaltungsbeamter unter den Bürgermeistern Heinrich Homburg (1945 — 1946), Heinrich Momberg (1946 — 1948), Lothar Bockemühl (1948 — 1953) und Heinz Hermann Horn (1954 - 1960). Aufgrund seiner Bewerbung wählte die Gemeindevertretung am 1. April 1960 Karl Emden zum hauptamtlichen Bürgermeister. Seine Wiederwahl auf 12 Jahre erfolgte ohne Ausschreibung im Jahr 1966. Die Amtszeit wurde dann durch die Gebiets- und Verwaltungsreform unterbrochen. In der Zwischenzeit war er als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt. Die Gemeindevertretung der Großgemeinde wählte ihn dann im Dezember 1972 erneut zum Gemeindeoberhaupt. Seine offizielle Amtsperiode hätte bis zum 31. März 1977 gedauert. Am 1. Juni 1975 ging er jedoch in den Ruhestand. Seine Ärzte hatten ihm geraten, die Amtsgeschäfte aus gesundheitlichen Gründen niederzulegen. Bei seiner Verabschiedung würdigten die Mitglieder der Gemeindevertretung seine Verdienste für die Gemeinde. Im September 1983 lobte der damalige Hess. Justizministers Dr. Herbert Günther die Verdienste des ausgeschiedenen Bürgermeister und überreichte ihm das Bundesverdienstkreuz. Der Minister bestätigte in seiner Glückwunschrede Emden ein hohes Engagement für seine Gemeinde. Er habe es verstanden, gerade in den schwierigen Zeiten vor und nach der Bildung der Großgemeinde die anstehenden Aufgaben mit viel Fleiß, Zielstrebigkeit, Sachkenntnis und Takt bewältigt zu haben. In seine Amtszeit fällt auch der Besuch des späteren Bundeskanzlers Willi Brandt, der am 31.05.1961 von der Treppe des damaligen Bürgermeisteramtes zur Bevölkerung sprach. In Erinnerung bleiben wird auch die Initiative zu den größeren Investitionen, wie Kanalisation mit Kläranlage in der Kerngemeinde, Erweiterung der Schule und ihr Ausbau zur Mittelpunktschule, Mehrzweckhalle, Friedhofshalle Wabern, Erschließung von Neubaugebieten, Errichtung von Sozialwohnungen, die Kanalisierung des Riegelsgrabens in der Rosenstraße und der innerörtliche Straßenbau. Außerdem gelang es ihm, im Rahmen der Gebietsreform zehn Ortsteile ohne größere Schwierigkeiten zusammen zu führen. Nach seiner Pensionierung verbrachte Karl Emden seinen letzten Lebensabschnitt in Kleinern.

Kleines Bild: Karl Emden als Bürgermeister
Quelle: „Erinnerungen — Die Beschreibung meines Lebens“ von Karl Emden

Zurück zur Kalenderseite