Kalenderblatt März 2018

März 2018

Hebamme Anna Katharina Lumpe, Am Kirchplatz

Die Geschichte der hebammenbegleiteten Geburtshilfe reicht weit in die frühe Menschheitsgeschichte zurück. Dem Ursprung nach ist die Geburtshilfe eine solidarische Hilfe, die sich Frauen gegenseitig leisten. Bereits im Alten Testament wird unterschieden zwischen Hebammen, die für die eigentlichen Geburten verantwortlich waren und Ärzten, die die Komplikationen nach der Geburt behandelten. Im europäischen Mittelalter wurden Hebammen vermehrt verpflichtet, moraltheologische Anforderungen zu erfüllen. Sie hatten die Pflicht, alle Neugeborenen persönlich zur Taufe zu bringen und im Fall eines Kindstodes unter der Geburt die Nottaufe vorzunehmen. Ab dem Jahr 1310 wurde die Hebamme von der Kirche zur Taufe und per Eid zu einem christlichen Lebenswandel verpflichtet. Mit dem Eid verzichteten sie auf magische aber auch auf die Vergabe von abtreibenden Mitteln. Das erste bedeutende Handbuch zur Geburtenhilfe in Deutschland erschien im Jahre 1513. Die 13 Kapitel enthalten auch 25 Holzschnitte auf denen verschiedene Kindslagen und ein Gebärstuhl dargestellt werden. Das erste bedeutende Lehrbuch für Hebammen veröffentlichte 1690 Justine Siegemundin. Es galt aufgrund der Präzision, des prägnanten Stils und der aufgezeigten Lösungen seiner Verfasserin als das Standartwerk der Hebammenlehre. In der Mitte des 18. Jahrhundert entstanden dann die ersten Hebammenschulen, die bei "Gebäranstalten" angegliedert waren und unter ärztlicher Leitung standen. Im 20. Jahrhundert wuchs die Geburtenquote in den Kliniken. Das Reichshebammengesetz von 1938 verfügte die staatliche Anerkennung der Hebammen und gab der Hausentbindung den Vorzug. Die Hebammen wurden verpflichtet, Fehlbildungen und Krankheiten von neugeborenen Kindern zu melden und die Familie zu beobachten. Die erste urkundlich erwähnte Hebamme in Wabern ist Martha Catharina Koch, geb. Lampe (*27.09.1866 in Zennern +03.10.1949). Sie hatte den Schreiner und Hilfsweichensteller Georg Koch (*24.07.1867 in Wabern +04.10.1902 Wabern) am 30.03.1891 geheiratet.

In dem noch vorhandenen Tagebuch sind alle von ihr begleiteten Geburten und die oftmals aufgetretenen Schwierigkeiten von ihr ausführlich beschrieben worden. Ihre Tochter Anna Katharina Lumpe, geborene Koch, (*28.11.1902 +29.01.1993) besuchte in der Zeit von Juni 1931 bis Dezember 1932 die staatliche Lehranstalt der Universitätsklinik in Marburg und bestand am 16.01.1933 die Prüfung als Hebamme. Anna Katharina hatte bereits am 24.12.1921 den Schreinermeister Eckhard Lumpe geheiratet (siehe Kalenderblatt 03/2005).

Die Tageszeitung berichtete am 28.11.1992 mit der Überschrift "Über 3000 Kinder" über ihr Lebenswerk: "Jahrzehntelang war sie die erste Ansprechpartnerin für werdende Mütter. Über 3000 Kinder hat Anna-Katharina Lumpe aus Wabern auf die Welt verholfen. Heute wird die Seniorin 90 Jahre alt. Von 1933 bis zu ihrem 70. Lebensjahr war die engagierte Frau als Hebamme in Wabern, Zennern, Niedermöllrich, Obermöllrich, Cappel, Harle, Uttershausen, Udenborn und Unshausen tätig. Die Seniorin erinnert sich gut an jene Zeit, vor allem an die Kriegsjahre, als sie mit den Pferdeschlitten im Winter oder mit dem Fahrrad im Sommer unterwegs war, um den Frauen in ihren schweren Stunden beizustehen. Sohn Georg hatte sogar in den letzten Kriegsjahren die Ausnahmegenehmigung bekommen, den Opel P4 des Vaters zu fahren um die Mutter bei Nacht und Nebel zu den Entbindungen bringen zu können. Eine besondere Geburt in Zennern ist ihr noch gegenwärtig. Während des Krieges mußte sie in einem Kohlenkeller ein Kind zur Welt bringen, weil gerade ein Luftangriff auf den benachbarten Fritzlarer Flugplatz geflogen wurde. Anna-Katharina hat sich auch für den Berufsstand stark gemacht und war von 1939 bis 1960 Kreisvorsitzende der Hebammen. Von 1944 bis 1952 hatte sie eine eigene Entbindungsstation in ihrem Haus."

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