Kalenderblatt September 2004

September 2004

Lehrer Albert Rotter mit der Schulklasse Jahrgang 1938/39

(Mit Auszügen aus Kristine Bainarovica, "Auf den Spuren von Albert Rotter: publizistische und literarische Tätigkeit von 1953 bis 1990", erschienen 2002 im Verlag Meurer, Darmstadt)

Der Geburtstag des sudetendeutschen Pädagogen, Lyrikers und Erzählers Albert Rotter jährt sich in diesem Monat zum 100. Mal. Albert Rotter wurde 1904 als sechstes Kind der Eheleute Albert und Marie Rotter in Deutsch-Liebau geboren. Dort besuchte er auch die Volksschule. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges studierte der junge Mann von 1919 bis 1923 an der deutschen Lehrerbildungsanstalt in Olmütz. 1924 folgte die Einberufung in die tschechische Armee. Danach erhielt Albert Rotter schließlich im April 1927 - die Stellensuche hatte sich wegen der Schließung zahlreicher deutscher Schulen durch den tschechoslowakischen Staat als schwierig gestaltet - einen Posten als Aushilfslehrer in Domeschau. Von dort kam er als Lehramtsanwärter in den kleinen Grenzort Spieglitz und legte im November 1929 in Brünn die Lehrbefähigungsprüfung für allgemeine Volksschulen mit deutscher Unterrichtssprache mit Auszeichnung ab. Vermutlich fällt in diese Zeit der Ursprung der literarischen Gedanken Albert Rotters. Doch hat es lange gedauert, bis dieser Keim zu sprießen begann: Die ersten Veröffentlichungen in der Zeitschrift "Mein Heimatbote" stammen aus dem Jahr 1953 und seine erste Lyriksammlung folgte erst zehn Jahre später.

1933 heiratete Albert Rotter Else Schubert aus Deutsch-Liebau. 1935 wurde ihr Sohn Erhard und 1939 der zweite Sohn Gernot geboren. Im Juni 1940 erfolgte die Einberufung des jungen Lehrers zum Kriegsdienst. Die Kriegsereignisse führten ihn in die Niederlande, nach Polen, Russland, Dänemark und nach der angloamerikanischen Invasion an die Westfront, wo er im Februar 1945 in amerikanische Gefangenschaft geriet. An die Franzosen ausgeliefert wurde er im Oktober 1947 aus einem südfranzösischen Gefangenenlager entlassen und fand seine Angehörigen im nordhessischen Gilsa, wo sie mit dem ersten Vertriebenentransport aus Mährisch Schönberg angekommen waren.

Mit Wirkung vom 1. April 1948 übertrug ihm der Schulrat von Fritzlar-Homberg eine Stelle an der Volksschule in Wabern. Im Sommer 1969 schied Rotter nach über vierzigjähriger Tätigkeit als Volks- und Realschullehrer aus dem aktiven Schuldienst aus. Der "überaus bescheidene und grundgütige" Lehrer hatte sich zur Ruhe gesetzt, aber der Schriftsteller Albert Rotter krempelte die Ärmel hoch. In der Zeitperiode von 1971 bis 1989 wurden dem Leser 23 Werke - zum Großteil Lyrik, aber auch Erzählungen und Kurzgeschichten - präsentiert. Zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit gehörte außerdem die Redaktion des "Nordmährischen Heimatbuches", die er fast 35 Jahre inne hatte. Er war u.a. Geschäftsführer der Nordmährischen Kulturstelle mit Sitz in Wabern, außerdem Mitarbeiter zahlreicher Presseorgane der sudetendeutschen Heimatvertriebenen. Zu seinem 80. Geburtstag stiftete Albert Rotter einen noch ihm benannten Lyrik-Preis, der inzwischen mehrmals vergeben wurde.

Albert Rotter lebte nach seiner Vertreibung aus Nordmähren mit seiner Familie von 1948 bis zu seinem Tode 1990 im Wohnhaus der ehemaligen Wimmerschule. Das Schicksal, das diesem Manne beschieden war, hatte ihn zwei Weltkriege, die Gründung zweier Staaten - Tschechoslowakei und Bundesrepublik Deutschland - hautnah erleben lassen. Er war Augenzeuge des Wirtschaftswunders und des kalten Krieges und konnte auch noch den Zusammenbruch des europäischen Sozialismus beobachten. Diese für ein Menschenleben so zahlreichen Erfahrungen finden auf die eine oder andere Weise ihren Niederschlag in seinem literarischen Werk, dessen zentrales Thema zweifellos das unvergessliche Mähren darstellt. Aber auch die neue Heimat hat einen festen Platz in seinen Werken.

DIE WABERNER EBENE

Der Berge langgestreckter Rücken,
ein weiter Himmel überm Land,
wo Baum und Strauch die Erde schmücken
der Eder lichtes Silberband.
Dazwischen wogt es auf und nieder,
ist wie ein breites, gelbes Meer.
Der Lerchen frohgestimmter Lieder
erschallen hoch vom Himmel her.

Der Felder ährenschwere Fülle
zieht zwischen Eder sich und Schwalm
und in der abgeklärten Stille
wiegt sich im leichten Wind der Halm.
Dann wieder grüne Rübenfelder,
durch die die schmalen Wege gehen
bis zu dem fernen Kranz der Wälder,
die wachsam auf den Höhen stehn.

Du gottgesegnetes Gefilde,
du reiche, liebe Hessenflur
Du führst den Reiher in dem Schilde
und träumst von alter Zeiten Spur.
Ist auch der Grafen Glanz gewichen,
steht wie verwunschen nun ihr Schloss,
der Boden birgt noch unverblichen
die alte Fruchtbarkeit im Schoß.

(Aus Albert Rotter, "Schläft ein Lied in allen Dingen", Gedichte, Quellenverlag, Veronika Diwisch, Hanau)

Möge die neue Heimat das Andenken an Albert Rotter nachhaltig bewahren.

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